Ron Kuivila
Getting to know you
10. Mai 2000 - 12. Juni 2000
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Wer sind wir? Persönlichkeitstests wie der International Personality Profile Test stellen uns als eine Art Vektor aus Antworten zu einem Set von einigen hundert Fragen dar. Solche Vektoren lassen sich typisieren, vermeintliche Präferenzen versprechen Vorhersagen z.B. über den individuellen Werdegang - Polizist, Feuerwehrmann, Lehrer? In der "New Economy" gelten wir als Vektoren von Einkäufen - Transaktionen, die mit einer Adresse verbunden sind. Dabei sind wir zugleich Kunden, die von Web-Sites umworben werden wie auch einträgliche "Waren", die sich an andere Anbieter verkaufen lassen. Wie in einem Spiegelkabinett werden verzerrte Abbilder entworfen, in denen wir uns selbst erkennen, in denen wir aber auch erkannt werden.
Auf der anderen Seite formen wir unsere Umwelt nach unseren eigenen Vorstellungen und Bildern und schreiben Technologien, zusammen mit Hurricanes, Vulkanen und Weinen, Persönlichkeit und geistige Fähigkeiten zu. Computer in blueberry-, tangerine- oder limefarben anzubieten ist eine meisterliche Marketingidee, die konsequent diesen Weg verfolgt. "Getting to know you" untersucht diese Situation. Es thematisiert die bemerkenswert zwingende Kraft der Technologie, Zeitpunkte und Formen menschlicher Reaktionen nachzuahmen.
Die Installation verbindet zwei durch das Treppenhaus getrennte Räume. Die ehemalige Sakristei birgt einen einzelnen Stuhl, der vor einem Spiegel plaziert wurde. Verhörzimmer? Paßbild-Automat?
Eine verfremdete Kinderstimme beginnt sich selbst mit Aussagen aus dem International Personality Profil zu beschreiben und stellt eine Reihe von Fragen an den Besucher. Mit der naiven Bestimmtheit eines Kindes verlangt die Stimme nach Reaktionen. (Der Signalton eines Anrufbeantworters macht deutlich, daß Antworten erwartet werden.) Antwortet der Besucher, dann werden seine Aussagen von der Stimme wiederholt.
Im Glockenraum befinden sich automatisierte Pointer - auf Ständern montierte Antennen, die frei beweglich sind und auf jeden beliebigen Punkt des Raumes weisen können. Die Bewegungen der Antennen laufen räumlich synchron, so daß alle Antennen zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf genau einen Punkt zeigen. Noch einmal begegnet der Besucher den gleichen Fragen - diesmal jedoch an die Antennen gerichtet. Jeweils eine Antenne wird darauf antworten und damit die Aufmerksamkeit aller anderen Antennen auf sich ziehen. Ihre Antworten stammen aus dem Personality Profile, angereichert mit Besucherstatements aus dem ersten Raum.
Beide Räume stehen in einer Art dialektischen Beziehung. Die "Kommunikation" in der ehemaligen Sakristei ist flüchtig und persönlich. Aber die Reaktionen der Besucher dort gewinnen im Glockenraum eine dauerhafte Präsenz. Die Verhältnisse öffnen sich. Vielleicht vergißt man die durch die Fragen suggerierte Etikette und reagiert in anderer Weise auf die Situation.
RJK
In Kooperation mit ZKM - Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe und Berliner Künstlerprogramm des DAAD.
Mit Unterstützung der Ev. Georgen-Parochialgemeinde, Initiative Neue Musik Berlin, Arizona State University, Staatliches Institut für Musikforschung Berlin, Elektronisches Studio der TU Berlin. Besonderer Dank an ContribNet, cyan, u.a.
© Fotos Roman Maerz