extended spaces – resonant bodies: alvin lucier – doppelkonzert 15.9.24
Kunstquartier Bethanien, Studio 1
Mariannenplatz 2
10997 Berlin
Eintritt: Konzert 10 Euro, Doppelkonzert 18 Euro / 15 Euro
Tickets nur an der Abendkasse
Ever Present Orchestra & Gäste:
Programm:
19:30
Alberto de Campo + Hannes Hoelzl + Jiawen Wang + Anne Wellmer »Six Strange String Theories« (UA)
Alvin Lucier »Vespers« – for any number of players (1968)
21:00
Alvin Lucier »Two Circles« – for flute, clarinet, violin, cello, piano and pure wave oscillators (2012)
Alvin Lucier »Three Cardboard Boxes« – for violin, bowed glockenspiel, alto saxophone, double bass and two electric lap steel guitars (2020)
Alvin Lucier »Tilted Arc« – for four violins, four electric guitars, piano, three alto saxophones and solo bowed glockenspiel (2018)
Alberto de Campo + Hannes Hoelzl + Jiawen Wang + Anne Wellmer: Six Strange String Theories (UA)
»Six Strange String Theories« ist eine Klanginstallation und ein Performance-Environment, das Fäden zwischen den Ideen von historischen Figuren der experimentellen Musik spinnt: Sun Ra, zu dessen zahlreichen radikalen Innovationen das Konzeptalbum »Strange Strings« (1967) mit seinem Astro-Infinity Arkestra gehörte, das er "eine Studie in Ignoranz" nannte; Bebe und Louis Barron (1956), die die ersten kybernetischen Schaltkreise mit klanglichem Verhalten erfanden; Alvin Lucier, der Wege erfand, mit der materiellen Wirkung von Dingen zu komponieren, unter anderem mit langen Saiten; und David Tudor, der Wege erfand, die seltsame Wirkung elektronischer Schaltkreise und physischer Objekte für sich sprechen zu lassen.
Das Environment besteht aus langen Saiten, die quer durch den Raum gespannt sind und in die Quellenklänge eingespielt werden können; die Resonanzen der Saiten werden aufgenommen und mit den Quellen gemischt; werden die Resonanzklänge zurück in das Netzwerk der Saiten geschickt, werden sie zu einem kybernetischen Rückkopplungssystem, das autopoietisch seine eigene Klangwelt erschafft, die sich immer weiter entwickelt. Die Herausforderung für die Performer:innen besteht darin, das Environment mit improvisierten Klängen und subtiler Artikulation des Saiten-Feedback-Netzwerks so zu aktivieren, dass Momente sympoietischer Balance möglich werden.
Alvin Lucier: Vespers – for any number of players (1968)
Der Titel »Vespers« ist angelehnt an den Namen der nordamerikanischen Fledermaus der Familie Vespertilionidae. Das Stück ist für eine beliebige Anzahl von Spielern geschrieben, die ihren Respekt allen Lebewesen zollen möchten, die in dunklen Orten leben und im Laufe der Jahre eine hohe Kunstfertigkeit in der Echolokation entwickelt haben, also in der Kunst, Töne als Boten zu verwenden, die, in die Umgebung ausgesendet, als Echos zurückkehren und Informationen über die Form, Größe und Beschaffenheit dieser Umgebung und der darin befindlichen Objekte liefern. Die Aufgabe der akustischen Orientierung wird durch das Abtasten der Umgebung und das Beobachten der sich verändernden Beziehungen zwischen den ausgesendeten und zurückkehrenden Klicks erfüllt. Durch die Veränderung der Wiederholungsrate der ausgesendeten Klicks können Entfernungen erspürt, Oberflächen hörbar gemacht und klare Signaturen der Umgebung erzeugt werden.
Alvin Lucier: Two Circles – for flute, clarinet, violin, cello, piano and pure wave oscillators (2012)
Instrumentation adapted for the Ever Present Orchestra
Während der Aufführung zeichnen elektronisch erzeugte Sinuswellen zwei gleiche Kreise, die jeweils einen Ambitus von 18 Halbtönen auf- und absteigend von einem zentralen Ton überspannen. Jeder Kreis dauert 10 Minuten und 30 Sekunden. Der zweite Kreis überschneidet sich mit dem ersten bei 7 Minuten und 30 Sekunden. Die Gesamtlänge beträgt 18 Minuten. Während die Sinustöne auf- und absteigen, halten die anderen Spieler lange Töne dagegen und erzeugen hörbare Schwebungen, deren Geschwindigkeit vom Tonabstand der jeweiligen Stimmen abhängt. Je weiter auseinander, desto schneller die Schwebungen. Bei Unisono treten keine Schwebungen auf. Da die Schallschwingungen sich ständig bewegen, verlangsamen und beschleunigen sich die Schwebungen, je nachdem, wie die Sinustöne zu den Tonhöhen der akustischen Instrumente ins Verhältnis gesetzt werden.
Alvin Lucier: Three Cardboard Boxes – for violin, bowed glockenspiel, alto saxophone, double bass and two electric lap steel guitars (2020)
Im Laufe von 23 Minuten erforschen drei Instrumentenpaare alle möglichen Kombinationen des Glissandierens über das Intervall einer perfekten Quinte. Dabei werden Kombinationstöne und hörbare Schwebungen erzeugt, die durch die Abstände zwischen den Gleit- und Haltetönen bestimmt werden. »Three Cardboard Boxes« wurde für das Ever Present Orchestra geschrieben. Die Instrumentierung wurde für dieses Programm teilweise angepasst.
Alvin Lucier: Tilted Arc – for four violins, four electric guitars, piano, three alto saxophones and solo bowed glockenspiel (2018)
Im Laufe von 17’30” glissandieren 12 Instrumentalisten eine Oktave auf und ab, unisono im Abstand von 30”. Der Glockenspieler streicht lange Töne mit dem Bogen zu den Tonhöhen der anderen Instrumentalisten. Dabei entstehen hörbare Schwebungen, die von den Intervallen zwischen den Instrumenten bestimmt werden. »Tilted Arc« wurde speziell für das Ever Present Orchestra (Trevor Saint) geschrieben und am 27. März 2018 im Connecting Space in Hongkong uraufgeführt. Der Titel des Stücks ist Richard Serras Skulptur entlehnt, die von 1981-89 auf dem Foley Federal Plaza in Manhattan stand.
Ever Present Orchestra
In der Besetzung E-Gitarre, Streicher, Bläser, Klavier und Schlagzeug widmet sich das Ever Present Orchestra der Aufführung der Instrumentalkompositionen von Alvin Lucier. Es zelebriert die Körperlichkeit des Klangs im Raum und konzentriert sich auf Luciers Erkundungen von hörbaren Schwebungen eng gestimmter Tonhöhen. Das Ensemble mit den Gründungsmitgliedern Bernhard Rietbrock, Jan Thoben und Trevor Saint tritt in verschiedenen Besetzungen von 6-13 Musiker:innen auf.
Lucier hat einen bemerkenswerten Katalog von Instrumentalwerken hinterlassen, die sich mit akustischen Interferenzphänomenen beschäftigen. Dabei werden von Oszillatoren oder elektischen Lapsteel-Gitarren erzeugte Sinustöne in Kombination mit akustischen Instrumenten verwendet. Dank des rastlosen Schaffensdranges Luciers bis zum Ende seines Lebens, sind mehrere Stücke explizit für das Ever Present Orchestra entstanden. Das Konzertprogramm widmet sich Lucier‘s fortwährender Beschäftigung mit dem flüchtigen Eigenleben des Klangs und seiner Materialisiertung im Raum.
Electric Lap Steel Guitars: Owen Gardner, Trevor Saint, Jan Thoben, Kassian Troyer
Violins: Christina Moser, Rebecca Thies, Sara Schlumberger, Marika Ikeya
Cello: Derek Shirley
Doublebass: Mike Majkowski
Saxophone: Joan Jordi Oliver
Clarinets: Sam Dunscombe, Michiko Ogawa
Piano: Eric Maltz
Glockenspiel: Trevor Saint